Große Emotionen bei den Deutschen Meisterschaften des DVG

von Matthias Krödel und Sigrid Klemenz / DVG

Die 33. Deutschen Meisterschaften des Deutschen Verbandes für Garde- und Schautanzsport e.V. (DVG) in den Fritz-Mannherz-Hallen Reilingen bieten Gänsehautmomente und Bestleistungen bei grandioser Stimmung.

Schon der erste Schritt auf der Bühne ist entscheidend. Ist die Ausstrahlung natürlich? Ist die Mimik übertrieben?  Steht die Gruppe regelkonform im Einmarschbereich? Das kann kostbare Punkte kosten.

„Auch auf Spitzenniveau sind wir an Regeln gebunden“, so Jörg Barz, Wertungsrichtersprecher. Am letzten Aprilwochenende waren in Reilingen tänzerische Höchstleistungen geboten.  Bei den 33. Deutschen Meisterschaften des DVG konnte man die Besten der Besten auf nationaler Ebene erleben. Zwölf Monate lang hatte der ausrichtende Verein, der TSV GymTa Session Altlußheim e.V., die Deutschen Meisterschaften 2019 vorbereitet.  Ein 12-köpfiges Team rund um den Vorsitzenden Ringo Kairies organisierte das Großereignis.  Die rund 2.000 Aktiven hatten sich in den zuvor ausgetragenen Ranglistenturnieren der laufenden Saison für die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft qualifiziert.  Allen voran der Ausrichter selbst, der mit 14 Tänzen bei der Meisterschaft an den Start ging.

 

Der Ausrichterverein aus Altlußheim stand selbst mehrfach auf dem Treppchen. Zum Beispiel im Freestyle der Hauptklasse. Foto: Hans Knechtskern

An beiden Tagen startet jede Altersklasse mit einer hochkarätigen Eröffnungsfeier mit tollem Live-Gesang von Florian Kondur und Laura Luppino sowie einer eindrucksvollen Darbietung der ehemaligen Olympiateilnehmerin und 16- fachen Deutschen Meisterin in rhythmischer Sportgymnastik, Jana Berezko-Marggrander. Die Zuschauer werden zu Beginn der Eröffnungsfeier mit einem Film durch unseren Sport nach Altlußheim geführt. Die Stimmung gleicht einer Party. Der Einlauf der Aktiven durch begeisterte Zuschauer erzeugt Gänsehautstimmung.  Dann setzt schon der Jubel ein. Nach dem Einmarsch der Fahnenträger, kurzen Grußworten und der Nationalhymne läuft alles nach Plan.

Dafür sorgt auch Marco Schenk. Der wortgewandte und sympathische Moderator führt mit Stil und souverän durch die Meisterschaften aller Altersklassen, mal aus dem Off, mal auf und mal vor der Bühne.  Das 7-köpfige Wertungsrichterteam, das vor jeder Disziplin neu ausgelost wird, verkündet in der Hauptklasse unmittelbar nach jeder Disziplin die Wertungen auf der Bühne. Emotionale Ausbrüche, Beifallsstürme der Zuschauer, strahlende Augen, Enttäuschung oder Erleichterung bei den Akteuren, – das alles vereint sich in diesem einen Moment kurz vor der Siegerehrung zu einem einzigen großen Gefühl, das auch inmitten der Zuschauer spürbar ist.

Am Samstag präsentieren sich die Schülerklasse (5-11 Jahre) und die Hauptklasse (ab 16 Jahre), am Sonntag die Jugendklasse (12-15 Jahre). Die Auftritte der Solisten, Duos und Formationen lassen den Atem anhalten, sind perfekt choreographiert, synchron bis in die Fingerspitzen und gipfeln in akrobatischen Höchstleistungen.  Bis zu 30 Tänzerinnen, die im Kanon Überschläge machen, gemeinsam das Rad schwingen, das Bein lächelnd über dem Kopf halten, Würfe und Pyramiden bis an die Hallendecke, Pirouetten, Layouts – alles wirkt so leicht und spielerisch.

Doch genau das ist Teil der Kunst: Die Choreographie muss zur Dynamik der Musik und zum Thema passen,  die Schritte müssen sich harmonisch in den Tanz einfügen und ein komplexes authentisches Bild schaffen, die Bewegungen müssen fließend und harmonisch ineinander übergehen.  Einen zusätzlichen Effekt auf der Bühne bieten die mit vielen Glitzersteinen besetzten Kostüme in den unterschiedlichsten Varianten: von kurz bis lang, von festem Stoff bis hin zu leicht flatterndem Chiffon. Ideen und Kreativität scheinen grenzenlos.

Die Schautänze sind besonders fantasievoll und erzählen tolle Geschichten.  Während es in der Schülerklasse etwas heiterer zugeht, sind die Themen ab der Jugend von zeitkritischer und ernsterer Natur.  So vertanzt ein Duo aus Altlußheim bravourös den Kampf um die Frauenwahlrechte im Jahr 1919. Eine andere Gruppe aus Bornheim regt mit der Geschichte um die Herstellung von Billigkleidung zum Nachdenken an, eine weitere aus Künzell vertanzt eindrucksvoll die autobiografische Geschichte der intersexuellen Künstlerin Lili Elbe.  Weitere aktuelle Themen wie die #metoo Bewegung oder Klimaschutz werden beeindruckend auf die Bühne gebracht. Kurzum - packende Geschichten gepaart mit einfallsreichen Kulissen lassen nicht zu viel von diesen Meisterschaften erwarten.  Die Show ist großartig- in jeder Altersklasse, in jeder Disziplin.

 

"#meetoo"  eindrucksvoll im Schautanz Duo vertanzt. Foto: Daniel Schrick

Die Anspannung bei den Aktiven ist spürbar. Kein Wunder. Sie haben sich ein ganzes Jahr lang intensiv auf diesen einen Moment vorbereitet.  Bis zu 5 Mal die Woche fleißig trainiert. Sondertrainings zum Feinschliff genutzt. Um genau dann die beste Saisonleistung abrufen zu können. In den meisten Fällen klappt das. Doch es gibt auch Schreckmomente.  Die CD einer Gruppe stottert erst, dann fällt sie komplett aus.  Das Publikum zögert nicht lange, klatscht den Takt, ermuntert die Gruppe. Herzinfarktmoment. Dann Abbruch durch den Tagessprecher. Die Gruppe darf erneut auf die Bühne, doch zunächst muss die CD geprüft werden. Dann nach schier endlosen Minuten das Zeichen: Alles von vorn! Es klappt, die Musik läuft. Die Gruppe aus Dexheim wird am Schluss Dritter ein tolles Ergebnis für sie.

Für den wohl emotionalsten Moment der Meisterschaften sorgte der scheidende DVG Präsident Lothar Müller während der Eröffnungsfeier der Hauptklasse, der sich nach 35 Jahren Ehrenamt und davon 20 Jahren im DVG von seiner Tanzfamilie und treuen Wegbegleitern mit sehr persönlichen Worten verabschiedet. „Welcher Moment wäre passender als der im Kreise meiner Aktiven“, so Müller. „Ich habe im Laufe meiner Amtszeit wundervolle Menschen kennen gelernt. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Gänsehaut.  Standing Ovations.

Alle Ergebnisse der DM findet ihr auch unter www.dvg-tanzsport.de

Lothar Müller mit emotionalen Abschiedsworten. Foto: Hans Knechtskern