Turnierbericht: BDK DM 2024

Dieses Turnier hat in vielerlei Hinsicht sprachlos gemacht. Die Erwartungen an die Deutschen Meisterschaften im karnevalistischen Tanzsport des BDK 2024 in der Kölner LanxessArena waren riesengroß. Denn bereits im Jahr 2015 fand an selber Stelle das große BDK-Finale statt. Und die Erinnerungen an damals waren verbunden mit einer liebevollen Organisation, einer grandiosen Eröffnungsshow und großen Emotionen. Köln 2024 war anders. Die vielfältige Kritik an der organisatorischen Situation für die Aktiven und das Publikum aufzuarbeiten, wird noch einige Tage in Anspruch nehmen. An Tag 2 „danach“ ist noch lange nicht alles geklärt und erklärt. Allen an der Organisation beteiligten Parteien soll die Möglichkeit gegeben werden, sich zu sortieren und Antworten zu finden. Daher schauen wir zunächst auf die sportliche Seite dieser DM und wollen die Leistungen der Meister und aller Qualifizierten würdigen. 

 

Tanzpaare: Mission Titelverteidigung geglückt

 

 

Die erste Disziplin des Turniersonntags begann mit einer traurigen Nachricht: Es gibt eine Abmeldung. Das Tanzpaar mit der Startnummer 9 wurde als abgemeldet durchgesagt. Dem fachkundigen Publikum fiel sofort auf: Das sind ja die Norddeutschen Meister Anna Harzheim und Nico Bonn von der KG Wendene Seempött. Die beiden hatten bei der NDM 451 Punkte getanzt und damit durchaus Chancen aufs Treppchen. Leider war Anna aber krank geworden und lag am Turniertag mit Fieber im Bett. Das Team entschied mit schwerem Herzen, aber zugunsten der Gesundheit der Tänzerin. Somit war ein Süddeutsches Podium nahezu vorprogrammiert. Doch gerade bei den Tanzpaaren mit ihren Elementen und Hebefiguren heißt es immer: Sie müssen erstmal die Nerven behalten und abliefern. Richtig sicher kann sich nie jemand sein, egal wie gut oder schlecht die Saison gelaufen ist. So war vor allem der dritte Platz hart umkämpft und entschied sich mit einem Punkt Abstand. Sophia Meißner und Oscar Cyrus von der Tanzsportgarde Coburger Mohr holten wie schon im vergangenen Jahr Platz drei mit 457 Punkten. So schön wie die beiden freute sich niemand. Auch in diesem Jahr stellte das Paar wieder seine herausragende Sportlichkeit und Stärke bei den Hebungen unter Beweis, ohne die Detailverliebtheit für Musik und Tanz zu verlieren. Mit großem Abstand sollte es beim Kampf um Platz zwei und eins noch einmal enorm spannend werden. Bei der Süddeutschen Meisterschaft konnten Lena Meyer und Renè Skorupa von der Faschingsgilde Marktredwitz-Dörflas nicht ihr gesamtes Können unter Beweis stellen. Bei der Deutschen behielten sie aber die Nerven und holten noch einmal alles aus sich heraus. Mit einer unvergleichlichen Harmonie und Präsentation glänzte das Paar und verteidigte mit 476 Punkten seinen Vizemeistertitel. Der Sprung ganz nach oben aufs Treppchen gelang erneut Celine Müller und Fabian Stollsteimer von der GFTB Die Filderer. Das ganz kleine Bisschen mehr „auf den Punkt“ tanzen und der BÄM-Effekt, den man einfach so wahnsinnig schwer in Worte fassen kann, brachten 479 Punkte und bescherten den beiden damit den Sieg.

 

Weibliche Garden: Knapper Showdown

 

 

Bei den weiblichen Garden hatten sich im Verlauf der Saison erneut drei Garden in die Favoritenrollen getanzt: das Tanzkorps Rote Husaren Neuenkirchen (Platz drei im Vorjahr), die Knoblauchsländer KG Buchnesia Nürnberg (Platz zwei im Vorjahr) und die Besenbinder vom KC Röttenbach (Platz eins im Vorjahr). Es hätte schon viel passieren müssen, dass diese drei Garden vom Treppchen zu verdrängen sind. Allerdings wurde es nochmal spannend um die Reihenfolge. Insbesondere zwischen Röttenbach und Nürnberg hatte sich genau wie im letzten Jahr ein regelrechter Showdown zur Deutschen Meisterschaft abgezeichnet. Auf Platz drei schaffte es Neuenkirchen mit 479 Punkten. Diese Garde vermittelt einfach immer wieder dieses unglaubliche Gruppengefühl, wenn man sie anschaut. Vor allem ausgeklügelte Formationswechsel und wunderschöne Teammomente im Tanz sind das, was sie auszeichnet. Sowohl die Besenbinder als auch die Buchnesia erreichten 485 Punkte. Nur ein Punkt in der Streichwertung entschied: Röttenbach wird Vizemeister und Nürnberg holt sich den Meistertitel nach elf Jahren zurück. Beide Garden miteinander zu vergleichen ist unheimlich schwer, denn obwohl beide sich im Bereich annähernder Perfektion befinden, könnten die Stile kaum unterschiedlicher sein. Röttenbach punktet immer wieder mit Originalität und innovative Bewegungs-Ideen – gar nicht so leicht in dieser traditionellen Disziplin. Die Buchnesia ist augenscheinlich bis in die letzte Reihe austrainiert, sauber und synchron bis in die Fingerspitzen. Diese Exaktheit und Ausgeglichenheit ist immer wieder ein Augenschmaus. Vielleicht war es aber auch einfach der klitzekleiner Wackler in der Grundstellung, der über Platz eins und zwei entschieden hat. Egal, warum die einzelnen Jurymitglieder sich für die eine oder die andere Garde entschieden haben: Subjektiv betrachtet sind beide einfach – sorry für den Ausdruck – saugeil! Es bleibt auch im nächsten Jahr spannend, was sich beide wieder einfallen lassen. Versöhnlich war die Saison allemal, denn Röttenbach geht mit dem Süddeutschen Meistertitel alles andere als leer aus. Und die Buchnesia hat so lange darauf gewartet, endlich wieder Deutscher Meister zu werden. Vor exakt elf Jahren am exakt selben Tag waren sie es das letzte Mal.

 

Gemischte Garden: Überraschende Titelverteidigung

 

 

Die wohl größte Überraschung des Tages gab es bei den gemischten Garden. Denn wer geglaubt hat, dass die Süddeutsche Meisterschaft mit dem großen Abstand von neun Punkten zwischen Platz eins und zwei, eine Vorentscheidung gewesen ist, wurde eines Besseren belehrt. Insgesamt muss man sagen: Bei den Gemischten ging richtig viel schief. Zahlreiche Heber gingen ab, auch bei den Garden, die es auf die ersten Plätze schafften. Am wenigsten mit ihrem dritten Platz gerechnet hätten wohl die Tänzerinnen und Tänzer der Mühlburger Carnevals Gesellschaft – zumindest nach ihrer Reaktion auf ihre grandiose Wertung zu urteilen. Die MCG legte eine Punktesteigerung von sage und schreibe 16 Punkten im Vergleich zur SDM hin und sicherte sich mit 454 Punkten Platz drei. Bei den drei Jungs und sechs Mädels ging im Vergleich zu vielen anderen Garden nur sehr wenig schief. Mit viel Zack, sicheren Hebungen und schönen getanzten Passagen überzeugten sie die Jury. Platz zwei mit 463 Punkten holte sich Feuerio Mannheim – die amtierenden Süddeutschen Meister und Deutschen Vizemeister des Vorjahres. Trotz ihrer beeindruckenden Gruppenstärke, tollen Elementen, Synchronität und Ausdruck ging einfach zu viel schief bei den Hebungen. Sie waren beim Schwierigkeitsgrad ein hohes Risiko gegangen und konnten sich dafür trotzdem noch mit dem Vizemeistertitel belohnen. Ebenfalls 13 Punkte mehr als bei der Süddeutschen Meisterschaft tanzte die gemischte Garde der Filderer. Sie konnten auf den Punkt zum Finale endlich zeigen, was sie können, lieferten am wichtigsten Turniertag des Jahres Bestleistung ab und wurden mit 465 Punkten erneut Deutsche Meister. Die Gruppe hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich verkleinert, was ihrer Stärke aber keinen Abbruch getan hat. Mit dieser unvergleichlichen Eleganz, wunderschöner Schrittvielfalt und tollen Hebekombinationen erkämpften sie sich die Titelverteidigung. 

 

Tanzmariechen: Historischer Sieg nach über 20 Jahren

 

 

Über die brutale Leistungsdichte bei den Tanzmariechen in diesem Jahr sind schon viele Worte verloren worden. Das zeigte sich auch beim Finale, auch wenn es dieses Jahr keine 100 gab. Die unangefochtene Norddeutsche Meisterin Juli Marie Greßler von den Roten Husaren Neuenkirchen musste sich nun mit der heftigen Südkonkurrenz messen und bestach vor allem mit ihrem wunderschönen fröhlichen Ausdruck, getanzter Liebe zum Leben und detailverliebter Choreografie. 477 Punkte bedeuteten Platz drei. Über Platz zwei und 481 Punkte freute sich in ihrem ersten Ü15-Jahr Melina Meißner von der Tanzsportgarde Coburger Mohr. Melina besticht mit wahnsinniger Sportlichkeit, Spritzigkeit und der Darstellung eines Tanzmariechens, das die Herzen der Tanzsportbegeisterten einfach höherschlagen lässt. Sie wird ganz sicher noch viele erfolgreiche Jahre vor sich haben. Viele erfolgreiche Jahre hinter sich hat dagegen Celine Müller von den Filderern. Ihr gelang ein Kunststück, dass noch nie jemandem gelungen ist: als Tänzerin Deutsche Meisterin bei den Tanzpaaren, Deutsche Meisterin bei den Tanzmariechen sowie als Trainerin Deutsche Meisterin bei den gemischten Garden. Ihre irre Sprungkraft, Leichtigkeit und Eleganz konnte ihr in dieser Saison niemand nachmachen. 484 Punkte bescherten ihr ihren ersten Titel bei den Mariechen nach über 20 Jahren Tanzsport. Damit aber nicht genug großer Emotionen: Ihre ganz besonderen Momente hatten Ilaria Vitulano (Feuerio) und Alina Junghanß (Filderer), die sich tränenreich von der Turnierbühne verabschiedeten und von ihren Fans noch einmal lautstark gefeiert wurden.

 

Schautanz: Die Geschichte wiederholt sich

 

 

Eine Disziplin, bei der die Meinungen über die Themenwahl der Tänze immer weit auseinandergehen, ist der Schautanz. Hier haben Trainerinnen und Trainer sowie ihre Gruppen die Möglichkeit, ihre Kreativität noch mehr auszuleben als in den Gardedisziplinen und Themen aufzugreifen, die ihnen am Herzen liegen. Genau so ist das auch in dieser Saison wieder geschehen und es zeichnete sich ein ähnliches Treppchen wie im Vorjahr ab, das aus der FG Marktredwitz-Dörflas, den Soul-City-Dancers aus Hof sowie dem Elferrat SV Knielingen bestanden hatte. Platz zwei und drei tauschten in diesem Jahr und so wurden die Soul-City-Dancers mit ihrem Tanz „Die Auktion“ dritte mit 471 Punkten. Im Vergleich zum Vorjahr hatte sich an diesem Tanz noch einmal einiges getan, beispielsweise Sprechtexte eingefügt, um zur Verständlichkeit der Thematik Menschenhandel beizutragen. „Die Auktion“ ging wie von den Soulies gewohnt sehr in die Tiefe, berührte und regte zum Nachdenken an – ganz im Sinne des Brauchtums „Fasching, Fastnacht, Karneval“, das seit jeher von Gesellschaftskritik lebt. Das krasse Gegenteil war „Fashion is a lifestyle“ von den Knielingern. Hier ging es weniger um eine ernste Thematik, viel mehr um humoristische Unterhaltung und puren Spaß auf der Bühne. Tänzerisch hatte sich Knielingen mit ihrem neuen Tanz mehr getraut. Die Schautänze dieser Gruppe leben von abgefahrener Synchronität, vielen schnellen Gruppengeschehen und Kostümwechseln. So auch dieses Mal, aber mit mehr modernen Bewegungen. Der Lohn war Platz zwei mit 474 Punkten. Ein Mix aus beiden Schwerpunkten – Unterhaltung und Tiefgang – lieferten die Titelverteidiger aus Dörflas. „Nach einer wahren Geschichte“ thematisierte die Geschichte einer schwangeren Frau, die ihren Mann aufgrund einer anderen Frau verliert, am Ende aber als starke alleinerziehende Mutter dargestellt wird. In diesem Tanz waren so viele Emotionen dabei – von Fröhlichkeit und lustigen Momenten am Anfang, über pure Wut und Trauer in der Mitte bis zum empowernden Ende. 483 Punkte bedeuteten den Sieg mit großem Abstand. 

Ein langer Turniertag mit vielen Highlights endete mit einer interessanten Siegerehrung. Wir gratulieren noch einmal allen Tänzerinnen und Tänzern zu ihren fantastischen Leistungen – ihr könnt alle stolz auf euch sein, es so weit geschafft zu haben! Fotos von allen Tänzen gibt’s hier.